Plotten als Feind der Kreativität?

„Ich plotte gern. Für mich ist das als würde ich im Zeitraffer eine Geschichte erfinden, für die mir noch die Worte fehlen. Es fühlt sich frei an, voller Spaß und Entdeckungslust. Ich kann dabei alles tun, lassen und möglich machen. Kann mich außerhalb genormter Denkmuster bewegen, weil alles nur Spielerei ist. Und wenn es später nicht mehr passt, ändere ich eben meinen Plot. Ich hemme meine Kreativität nicht, ich fördere sie sogar gezielt durch das Plotten.“

Warum also Plotten?

Für mich ist der Gegensatz Discovery Writer vs. Plotter kein Gegensatz mehr. Ich ziehe die Discovery Phase einfach an den Anfang meines Schaffensprozesses und „entdecke“ derweil meine Geschichte. Dieses Schritt zieht sich meist über mehrere Wochen, in denen ich nebenher an dieser neuen Geschichte werkle. Manchmal dauert es auch Monate, bis weitere passende Ideen zu meiner ersten kommen und sich zu einer Art Plot formieren. Das ist alles überhaupt nicht schlimm und keineswegs Zeitverschwendung, weil ich ja alles während der Schreib- oder Überarbeitungsphasen anderer Geschichten erledigen kann.

Während ich diesen Plot festlege, lasse ich jede noch so bekloppte Idee erstmal zu. Das würde ich beim Schreiben niemals wagen – aus Angst, seitenweise Mist zu schreiben, den ich später komplett in die Tonne werfen muss. Da ich relativ langsam schreibe, wäre das echt doof. Beim Plotten stört es der überhaupt nicht, wenn man erstmal in die „falsche“ Richtung läuft, weil man ja kaum etwas in diese vermeintlich falsche Idee investiert. Wenn sie nicht funktioniert, denke ich mir eben etwas anderes aus. Dadurch dass ich auch „Falsches“ erstmal zulasse, entdecke ich unwahrscheinliche Möglichkeiten, die sich später vielleicht als einzigartige Chance entpuppen könnten. Als ich anfing, den ersten Krimi über eine Yogalehrerin zu spinnen, hat ein Teil meines Gehirns immer wieder gesagt „Das klappt doch nie, das kannst du nicht bringen.“ Siehe da, ich konnte. Und ich kann noch ganz andere Sachen. Eine Krimireihe über eine Yogalehrerin ist doch keine Unmöglichkeit – sobald es einer tut, geht es plötzlich.

Was tun, wenn sich beim Schreiben plötzlich Wendungen ergeben, die so nicht geplottet waren?

Schreiben ist ein linearer Prozess, der sobald man einen Plot hat, keinerlei Ideen mehr zulässt. Ja, klar?! Komisch nur, dass sich Dinge manchmal eben doch ganz anders entwickeln als geplant. Im zweiten Band, der eigentlich seit über zwei Jahren in der Mache ist, habe ich nun beim Schreiben der endgültigen Fassung bislang zwei Punkte erreicht, in denen Figuren etwas vollkommen anders gemacht haben, als ich es vorhergesehen habe.

Wie das passieren kann?

Mancher sagt, die Figuren entwickeln ein Eigenleben und diese Beschreibung finde ich gar nicht so falsch. Meine Figuren entwickeln sich beim Schreiben. Darüber, was sie sagen und wie sie reagieren, erfahre ich mehr von ihnen. Es entwickelt sich eine komplette Persönlichkeit mit eigener Geschichte, eigenen Wünschen und Erfahrungen. Es ist nicht wie auf dem Zeichenbrett, wo man Figur A, B, C und D erschafft und alles verläuft in gerader Linie. D kann vielleicht nicht leiden, wie B seine Nudelsuppe isst, weil ihn das an seinen Vater erinnert, der ihn geschlagen hat. Klar, klingt das erstmal sehr weit hergeholt, deshalb weiß man es auf dem Zeichenbrett auch noch nicht.

So ähnlich ist es mir aber passiert als Emi auf Rick traf. Rick wollte etwas erreichen und hat die ihm zur Verfügung stehenden Mittel dafür genutzt, ohne Emis Wünsche und Bedürfnisse einzubeziehen. Wie konnte er auch? Er kannte sie schließlich noch gar nicht. Durch seine Handlung wurde aber bei Emi etwas ausgelöst, was sie echt doof fand. Eigentlich wollte ich die zwei ja verkuppeln, aber was nach diesem holperigen Start daraus wird, müsst ihr nun selbst im zweiten Band meiner Yoga-Krimireihe lesen.

Mit dieser Änderung/Schwierigkeit in meinem Plot konnte ich noch irgendwie umgehen. Doch gestern hat sich eine neue Änderung aus einer Figur ergeben. Es gab aus dem Gesprächsverlauf nur eine logische Konsequenz. Doch das Gespräch war so genau ja gar nicht geplant, wie konnte ich also seinen Ausgang erahnen?

Tja, nun liegen die Dinge also mal wieder anders als geplottet. Aber ich werde auch dafür eine Lösung finden. Plotten hemmt also meine Kreativität nicht im Mindesten, weil ich permanent bereit bin, meinen Plot anzupassen. An der ursprünglich geplanten Geschichte hat sich schon so viel geändert, dass ich mittlerweile den Mut habe, alles unmögliche zu planen, weil ich nun überzeugt bin, dass es für jede Idee auch irgendwo eine Unterbringungsmöglichkeit gibt. Und wenn ich sie zehnmal umplanen muss… es wird die Geschichte nur besser und die Figuren glaubwürdiger machen.


Exkurs zur Gestaltung meiner Figuren:

Übrigens freue ich mich extrem über das tolle Lob, das ich zu meinen Figuren aus Band 1 bekommen habe. Ich habe beispielsweise fast ein Jahr lang mit Charlotte gehadert und konnte einfach nicht so richtig mit ihr warm werden. Bis sie schließlich von ganz allein gesagt hat, was sie will – nein, ich bin nicht schizophren! Heute wird Charlotte fast noch mehr geliebt als Emi und das bedeutet mir unglaublich viel. All die Arbeit mit ihr hat sich ausgezahlt und auch wenn sie noch immer keine Persönlichkeit ist, der ich eine alleinige Hauptrolle zutrauen würde, so weiß ich nun, dass sie noch öfter in der Reihe vorkommen wird und dabei auch eine ganz eigene Story zu erzählen hat.

Da ich all meine Figuren auf diese Weise entwickle, hoffe ich, dass euch auch die anderen Personen ans Herz gehen werden. Niemand, den ich erschaffe, ist nur gut oder nur böse. Jeder hat einen Grund für sein Handeln, auch wenn ich ihn euch nicht immer nennen kann, weil der Erzähler es nicht weiß.


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