Fliegende Schweine oder Wie du einen fesselnden Anfang schreibst

Heute widme ich mich einer wichtigen Frage:

Wie steigst du am besten in deine Geschichte ein?

Der Schreiber braucht in der Regel einen anderen Einstieg in sein Projekt als der Leser.

Beim Schreiben, möchten wir all das Wissen, das wir am Anfang über unsere Geschichte haben gerne mit unserem Leser teilen. Der Leser möchte aber am Anfang in der Regel nicht mit Informationen geflutet werden, sondern in eine Story gezerrt werden. Er möchte sich gar nicht wehren können. Er muss dafür nicht wissen, welchen Hintergrund deine Protagonisten haben, obwohl du als Autor das sehr wohl wissen solltest, wenn du deine Geschichte schreibst. Der Hintergrund der Figuren und der Welt beeinflusst das Verhalten und die Konflikte in deiner Geschichte. Für uns ist das beim Schreiben wichtig, damit die Handlung in sich glaubwürdig ist. Dem Leser reicht es, das Gefühl zu haben, dass du beim Schreiben wusstest, was du tust. Die Plausibilisierung darf später stattfinden. Du kannst also direkt mit fliegenden Schweinen starten, wenn du irgendwann später mal erklärst, welchem Phänomen die Schweine diese Fähigkeit verdanken. Der Leser gibt dir einen Vertrauensvorschuss und glaubt dir erstmal einfach, dass die Schweine eben fliegen können. Nimm ihn mit in die Welt der fliegenden Schweine! Fessel ihn mit deiner Story und erklär ihm später, was er wissen muss.

Beim Lesen von Krimis ist dir vielleicht schon aufgefallen, dass die meisten Autoren mit dem Mord beginnen. Entweder schildern sie den „ersten Mord“ direkt zum Einstieg oder er ist bereits passiert und der Kommissar, wird mit dem Rätsel konfrontiert.

Nur selten bzw. bei den heimelig angelegten Krimis bekommt der Leser erst eine Einführung in Jahreszeit und Protagonisten bevor etwas passiert. Hier ist aber auch der Leseranspruch ein anderer, als in einem reinen Krimi. Im heimeligen Krimi möchte ich als Leser ankommen und mich wohl fühlen können, bevor die Spannung steigt und ich mit den Protagonisten mitfiebere.

Wie sieht es in anderen Genres aus?

Eine Liebesgeschichte startet in der Regel mit einer kurzen Beschreibung der Ausgangssituation des Protagonisten und dem verändernden Moment.

Es gibt Strickmuster für die meisten Genres, die möchte ich hier gar nicht aufführen. Man findet sie zum Beispiel in den 20 Masterplots. Ich will darauf hinaus, was du technisch tun kannst, damit der Anfang, den du schreibst, auch der Anfang wird, den der Leser liebt.

Was du dafür brauchst?

Emotion, Konflikt und, wenn es nach mir geht, gerne auch richtig viel Tempo (und schwups ist der Leser auf Seite 50 und schon mitten drin. Jetzt will er auch wissen, wie es weiter geht)

Der Leser muss mit der Figur mit fühlen, die in einer bezeichnenden Situation sanft eingeführt wird.

Samantha war 17 als ihr böser Stiefvater mal wieder mit der Reitgerte… – nein nicht so!

Wenn du mit dieser Szene starten möchtest, dann geh näher an deine Figur heran.

Die Gerte surrte durch die Luft bevor, sie auf ihre Finger niederging. Samantha kannte den Schmerz. Er war zwar nicht ihr Freund, doch er war wie ein alter Vertrauter…

Der Anfang ist zwar nicht gut, illustriert aber das Prinzip von „Show“ ganz gut, während der erste eher „Tell“ war. Selten ist ein „Tell“-Anfang etwas das den Leser begeistert. Also ist „Show“ hier schon mal eine gute Wahl. Natürlich sollten sich „Show“ und „Tell“ ergänzen – allein fährt keiner der beiden so richtig gut.

Meistens mache ich mir beim Schreiben keine großen Gedanken über den Anfang. Als Discovery Writer stürze ich mich einfach direkt mitten ins Getümmel. Meist geht meiner Geschichte eine ganz bestimmte Idee voraus. Häufig ist es ein „Was wäre wenn…“. In der Regel steige ich genau dort ein wo das „wenn“ passiert. Daraus entwickle ich meine Protagonisten. Da mich das „was wäre wenn…“ bereits interessiert und zum Schreiben animiert hat, gehe ich davon aus, dass es mich als Leser ähnlich packen würde.

Wie Alice bei meiner Hütte im Wald kommentiert hat, hat sie „Den Anschlag“ der direkt nach wenigen Seiten meiner Geschichte geschieht nicht so schnell erwartet und sie war gleich mitten drin. Das ist genau das, was ich will!

Bämm – und drin.

Ich gehe also ohne lange Vorrede direkt in den Konflikt oder das auslösende Moment. Die einzige Vorrede, die ich verwendet habe, ist die, die ich brauche um einen kleinen Kontrast zwischen dem Vorher und dem Nachher zu schaffen.

Wenn du reinlesen möchtest, weil du nicht genau weißt, was ich meine, findest du hier die Leseprobe zu meinem NaNo-Projekt „Die Hütte im Wald“. Es wird noch Änderungen daran geben, aber dennoch illustriert es, wie ich einsteige. Warum in meiner Geschichte die Schweine fliegen, erkläre ich irgendwann später – zum Beispiel, wenn ich es selbst erfahre. Wenn es nicht wichtig ist, streiche ich es später raus. Du sollst mir als Leser ja nur glauben, dass die verdammten Schweine fliegen. Ich muss dir nicht jedes Warum erklären.

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Was ich als Leser immer total ätzend finde sind lange Erklärungen zu Beginn. Der Infodump. Wir befinden uns in der und der Stadt, dort gibt es das und das und da lebt Person X, die dies und jenes erlebt hat und ein purpurfarbenes Kleid trägt – Sorry, da bin ich total raus. Das mag für dich als Autor alles da und interessant sein, aber mir ist es sowas von egal…  Ob du das Kleid nun als purpurfarben bezeichnest oder ob die Figur graue Hosen trägt, interessiert mich auch nur dann, wenn sie sofort darauf für das Kleid gehänselt wird oder es sich in irgendeiner Maschine verfängt…

Welche Einstiege in Geschichten binden dich als Leser?

Hinterlasse deine Meinung in den Kommentaren.Ich bin gespannt!

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