Ausnahmsweise werde ich zu Jessie Weber keinen eigenen Einleitungtext schreiben. Schau mal wie schön ihre Vita geschrieben ist…
„Jessie Weber ist Kielerin, gebürtig und überzeugt. Sie liebt es, das Meer vor der Tür zu haben und immer etwas frischen Wind um die Nase. Wenn sie nicht gerade schreibt, arbeitet sie als Sekretärin oder fertigt ausgefallene Motivtorten an. Sie reist mit Vorliebe in fremde Orte und Zeiten, sei es als Darstellerin auf Mittelaltermärkten oder im Urlaub, wenn sie ihre Familie mit Besuchen von alten Gemäuern und Museen quält.
Jessie hat seit August 2015 drei Romane bei Forever by Ullstein veröffentlicht, ihre historische „Töchter“-Trilogie um die junge Lianne, die auf ihrem Weg von der armen Dienstmagd zur erfolgreichen Malerin sogar am Hofe Ludwigs XIV. vorbeischaut.“
Dem kann ich nur noch hinzufügen, dass du unbedingt mal auf ihrer Facebook-Seite vorbeischauen solltest!
Ihre Bücher findest du zum Beispiel auf Amazon (der Link führt dich direkt zu Band 1: Töchter der Tide – viel Spaß damit!).



Wie ist dir die Idee zu der Lianne-Reihe gekommen?
Ideen zu Geschichten kommen mir meistens auf die gleiche Weise: Ich sehe im Geiste eine Person irgendwo stehen. Das passiert ganz plötzlich, in den verschiedensten Situationen. Ich „sehe“ mir die Person dann an. Wie sieht sie aus, was trägt sie? Bei Lianne habe ich eine junge Frau an einem Fenster stehen sehen. Sie sah hinaus und beobachtete fein gekleidete Damen. Ihr eigenes Kleid war eher schlicht. Dann betrachte ich sie weiter. Warum steht sie dort? Was könnte sie zu tun haben? So entwickelt sich dann um die Hauptperson eine Geschichte. Diese Anfangsszene ist bei „Töchter der Tide“ auch am Anfang geblieben. Manchmal rutscht die Szene auch nach weiter hinten in der Geschichte. Aber irgendwo bleibt sie immer. Wenn die grobe Idee steht, suche ich mir die Schauplätze und die Zeit aus. Bei Lianne habe ich mein Lieblingsland Frankreich gewählt und mit dem 17. Jahrhundert eine Zeit, die ich sehr faszinierend finde.
Am Anfang sollte es übrigens gar keine Reihe werden. Das hat sich im Laufe des Schreibens ergeben. Die Geschichte bot einfach noch zu viele Möglichkeiten, die Personen „wollten“ sich noch weiterentwickeln. Das habe ich ihnen erlaubt.
Wie recherchierst du für deine Romane?
Anfangs bemühe ich das Internet, weil das heute die einfachste Lösung ist, sich einen Überblick über die Zeit zu verschaffen, in der mein Roman spielen soll. Hierbei versuche ich allerdings, Wikipedia und ähnliches zu meiden, sondern beschränke mich auf Seiten, die mir glaubwürdig erscheinen. Für „Töchter der Stürme“ habe ich z. B. eine Abhandlung des Deutschen Wetterdienstes über den Winter 1708/1709 gefunden. So etwas verwende ich gern. Außerdem findet man auf den Webseiten von großen Zeitungen, Museen und Bibliotheken viele interessante Dinge heraus. Da suche ich z. B. nach alten Stadtplänen und Gemälden, die Kleidung und Gegebenheiten der damaligen Zeit zeigen. Wenn ich mir dann einen Überblick verschafft habe, suche ich Bücher über die Zeit. Für die „Töchter“-Trilogie habe ich in Antiquariaten tolle Bücher gefunden, z. B. ein altes Buch namens „Die Frau im Barock“, das mir sehr geholfen hat. Ja, und dann sind da natürlich die Recherchereisen! Ich war an den meisten Schauplätzen meiner Bücher. Ich bin mit einem Stadtplan von 1680 durch die Straßen von Paris gelaufen und habe geschaut, welche Gebäude es heute noch gibt, und sie mir genau angesehen. Ich war im Spiegelsaal von Versailles und habe mir vorgestellt, wie dort einst gefeiert wurde. Ich war im Turm von La Rochelle, um nachzufühlen, wie es den Gefangenen dort damals ging. Diese Reisen verbinde ich immer geschickt mit dem Familienurlaub. Mein neuer historischer Roman spielt in meiner Region, sodass Sonntagsausflüge dann auch gern mal zu Recherchezwecken benutzt werden. Ich finde es immer wieder spannend, neue Dinge herauszufinden!
Wie wichtig ist die die Faktentreue bei deinen historischen Werken?
Die Faktentreue ist mir sehr sehr wichtig! In einer der ersten Rezensionen, die „Töchter der Tide“ erhalten hat, stand, dass ich wohl nicht so gut recherchiert hätte. Das hat mir sehr weh getan, denn – siehe oben – ich recherchiere sehr sorgfältig und auch bis in die kleinste Kleinigkeit! Natürlich werden meine Geschichten nicht zu 100 % so passiert sein, wie ich sie aufschreibe. Aber welche Geschichte ist das schon? Es gäbe ja gar keine Geschichte zu erzählen, wenn die Charaktere nicht außergewöhnliche Dinge tun würden. Es kann schon sein, dass sich die „typische“ Frau damals dies oder jenes nicht getraut hätte. Aber meine Charaktere trauen es sich nun mal! Das finde ich auch nicht verwerflich, solange sie es in der passenden Kleidung und an den damals existierenden Orten tun. Ich gebe für alle Handlungen meiner Charaktere Erklärungen, besonders für die, die vielleicht unkonventionell sind. Aber dass die geschichtlichen Rahmenbedingungen stimmen müssen, versteht sich für mich von selbst.
Wie lief die Verlagssuche für dich?
Ich hatte das Manuskript zu „Töchter der Tide“ fertig und gefühlt 100 Mal überarbeitet in der Schublade liegen. Kurz vor der Leipziger Buchmesse 2015 habe ich angefangen, nach Möglichkeiten zu suchen, dort irgendeine Art von Kontakt zu knüpfen. Dabei stieß ich auf den Bundesverband Junger Autoren, der ein Meet & Greet organisiert hat, eine Art „Speed-Dating“ für Autoren und Verlage bzw. Agenturen. Dort habe ich mich mit meinem Exposé beworben und zwei Termine bekommen, einen mit einer Agentin und einen mit einer Lektorin von Forever by Ullstein. Ich hatte 7 Minuten Zeit, mein Projekt vorzustellen, dann ging es zum nächsten Termin. Ich war sehr aufgeregt und wusste danach nicht, ob ich mich und mein Werk gut verkauft hatte. Aber ein paar Tage später bekam ich eine Mail von Forever mit der Bitte, mein gesamtes Manuskript zu mailen. Dann ging alles sehr schnell, bald kam der Vertrag, und kein halbes Jahr nach der Messe war mein erstes E-Book erschienen. Inzwischen ist die Trilogie vollständig und ich breche zu neuen Ufern auf!
Wie hast du dich auf das „Speed-Dating“ mit den Verlagen vorbereitet?
Anfangs habe ich mich nur über die Gelegenheit gefreut und mir gar nicht viele Gedanken gemacht. Ich hatte ein mehrfach überarbeitetes Exposé fertig, das ich mir ein paar Mal durchgelesen habe. Die Aufregung kam erst kurz vorher, als ich schon in Leipzig in der Ferienwohnung war. Da wurde mir erst klar, dass ich diese Chance auf keinen Fall verpassen wollte!
Zum Glück war Sandra Florean dabei, die zu dem Zeitpunkt ja schon veröffentlicht hatte und viel mehr als ich über das ganze Autorenleben wusste – und darüber, was wichtig ist, um auf ein Buch neugierig zu machen. Mit ihr habe ich dann meinen Vortrag geübt, mit Stoppuhr, damit ich auch alle wichtigen Informationen in die 7 Minuten gequetscht bekomme. Da ist mir zum ersten Mal so richtig bewusst geworden, wie wichtig der Kontakt zu anderen Autoren ist. Die gegenseitige Unterstützung ist Gold wert, und ich möchte sie auf keinen Fall missen.
Was machst du als nächstes?
Zurzeit suche ich einen Verlag für meinen neuen historischen Roman, den ich gerade fertig geschrieben habe. Ich habe mehrere Verlage angeschrieben und warte gespannt auf Antwort. Außerdem arbeite ich an meinem ersten Jugend-Fantasy-Projekt. Mal ein ganz anderes Thema, aber genauso spannend!
Wie hast du dich auf deine ersten Lesungen vorbereitet?
Auf meine erste Lesung war ich ehrlich gesagt nicht gut vorbereitet. Es war eine Gemeinschaftslesung mit vielen anderen Autoren und ich hatte 10 Minuten Zeit. Ich dachte, es reicht, eine kurze, spannende Passage auszusuchen und ein paarmal lesen zu üben. Weit gefehlt! Ich habe viel zu schnell gelesen, bin regelrecht durch den Text gehetzt. Vor meiner nächsten Lesung habe ich mir dann Tipps von befreundeten Autoren geholt und auch mit einer Teilnehmerin unseres Kieler Autorenstammtischs geübt. Sie hat mir den Tipp gegeben, den Text mit Pausenzeichen (z. B. Leerzeilen) auszudrucken und in diesen Pausen dann auch leise bis 3 zu zählen, damit ich auch wirklich insgesamt langsamer lese. Das hat viel gebracht! Aber genauso wichtig wie die eigentlichen Textpassagen sind die Dinge, die man davor, dazwischen und danach erzählt. Nach meinen Erfahrungen interessiert es die Zuhörer, wie man auf die Idee für die Geschichte gekommen ist, warum sie gerade an diesem bestimmten Schauplatz spielt, und wie das Autorenleben allgemein aussieht. Wenn man darüber noch ein bisschen erzählt, wird die Lesung lebendiger, als wenn man nur vorliest.
Vielen lieben Dank für das Interview, Jessie!
Hier findest du die anderen Interviews dieser Reihe: Erin fragt… Die Interview-Reihe