7 Dinge, die du bei deiner Erzählersprache beachten solltest

In der vergangenen Woche habe ich dir erzählt, welche Erzählperspektiven es gibt.

Jede Geschichte erfordert hier eine Entscheidung von seinem Autor:
Wer erzählt die Geschichte?

Das hat Einfluss darauf, was der Leser über die Geschichte erfährt und was ihm entgeht. Sehr wichtig ist für deine Geschichte aber auch die Erzählersprache, denn die beeinflusst die Stimmung und die Identifikation mit dem Erzähler. Mit einer unpassenden oder inkonsistenten Erzählersprache klingt deine Geschichte irgendwie falsch. Zunächst lässt sich meist nur ganz schwer sagen, warum etwas falsch klingt.

Wenn du die folgenden 7 Dinge bei der Erzählersprache beachtest, sollte zumindest dein Erzähler richtig klingen. Auch beim Schreiben oder Korrigieren von authentischen Dialogen, solltest du einen Blick auf diese Themen werfen.

 

Für eine gelungene Erzählersprache solltest du deinen Erzähler zunächst so richtig gut kennenlernen. Hier ist ein detaillierter Charakterbogen wirklich sinnvoll!

Die Erzählersprache ist das Einzige, womit du vermitteln solltest, wer dein Erzähler ist. Deinem Leser ist es in den meisten Fällen herzlich egal, wie dein Erzähler aussieht, es sei denn das spielt in deiner Geschichte eine wichtige Rolle. Man stelle sich die Schöne und das Biest vor, ohne die Optik beiden Figuren zu beschreiben – da fehlt ja dann die komplette Geschichte. Aber ob die Bella in Twilight nun blond oder brünett ist, spielt keine Rolle. Im besten Fall soll sich doch dein Leser mit der Figur identifizieren – die Geschichte erleben. Da stört eine übertriebene Beschreibung der Optik ohnehin nur. Aber auch den Charakter deines Erzählers solltest du nicht zu sehr beschreiben.

Reduziere die Beschreibung der Optik und des Charakters deines Erzählers auf ein Minimum.

Statt zu schreiben:

Er ist ein mitfühlender Mensch.

Lass ihn mit jemandem mitfühlen, damit vermittelst du deinem Leser ein viel komplexeres Bild als mit dem simplen Adjektiv. Wie oft werden wir im Leben mit Menschen konfrontiert, die behaupten etwas zu sein, die sich dann aber als etwas völlig anderes erweisen. Wir glauben dem Adjektiv also nicht, bis wir nicht erlebt haben, dass sich die Person auch entsprechend verhält.

Investiere in eine individuelle Sprache für deine Figuren.

Fangen wir mit dem Elementaren an – dem Dialog:

Jede Person, die einen aktiv in deinem Buch spricht, benötigt eine Sprache.

Natürlich ist dir klar, dass jeder Mensch sich ein bisschen anders ausdrückt, als ein anderer. Deine Figuren werden einen ganz bestimmten Wortschatz haben, den sie benutzen, weil viele Faktoren sie beeinflussen. Auch ihre Grammatik wird dadurch beeinflusst. Im Folgenden werde ich dir beschreiben, welche Faktoren sich wie auf deine Figuren auswirken.

Beobachte die Menschen in deinem Umfeld genau.

Du wirst merken, niemand drückt sich aus, wie der andere. Es verwischt etwas, wenn Menschen sehr viel Zeit miteinander verbringen, weil Sprache sich an das Umfeld anpasst, weil die sprechenden Personen von ihrem Umfeld verstanden werden wollen. Besonders auffällig sind sprachliche Unterschiede, wenn Menschen aus unterschiedlichen Regionen kommen. In Süddeutschland verwendet man andere Begriffe und Satzstrukturen als in Norddeutschland. Dies lässt sich noch viel feiner aufgliedern als in eine Unterscheidung von Nord und Süd.

Wie viele Begriffe für Brötchen fallen dir ein? Und was sagen diese Begriffe über dich? Wählst du vielleicht das Wort Semmel? Bemme? Ist eine Scheibe Brot bei dir eine Stulle? Wie würdest du zu einem Brathähnchen sagen? Oder wie nennst du das Wischen des Bodens?

Die Wahl der Begriffe ist maßgeblich dadurch geprägt, wo du aufgewachsen bist. Wenn du mal weiter weggezogen bist, wirst du merken, dass dein neues Umfeld sich über bestimmte Begriffe ein (kleines) bisschen lustig macht, nicht wahr?

Auch die Bildung eines Menschen hat Einfluss auf seine Sprache. Jemand der viel ließt, hat in der Regel einen großen Wortschatz, ob er diesen auch aktiv einsetzt, hängt allerdings von sehr vielen Faktoren ab (z.B. der sozialen Akzeptanz).

In einem Viertel mit hoher Arbeitslosigkeit und geringer Bildung, wird jemand, der eine akademische Sprache einsetzt, sofort als Außenseiter erkannt.

Möchte dein Erzähler sich in sein Umfeld einfügen oder sich bewusst abgrenzen?

Beides kann er/sie über die Sprache beeinflussen. Hier setzt der Erzähler die angepasste oder differenzierte Sprache aber eher im Dialog ein, als in seiner Funktion als Erzähler der Geschichte.

Auch Fachsprache bestimmter Berufe wird vorwiegend unter Kollegen eingesetzt, weil fachfremde Personen häufig nicht verstehen, was gemeint ist.

Dann sagt natürlich auch deine Satzstruktur etwas über dich aus. Sprichst du in klaren kurzen Sätzen? Oder machst du beim Reden häufig Einschübe? Vielleicht nimmst du spaßeshalber mal einen Dialog von dir und einem Freund/einer Freundin auf, um diese feinen Unterschiede zu erkennen.

So wie du und deine Freundin/dein Freund unterschiedlich sprechen, so sollten auch deine Figuren im Dialog unterschiedlich sprechen.

Kommen wir nun vom Dialog zu dem Thema Erzählersprache.

Schreib doch mal testweise einen Absatz über etwas, das du kürzlich erlebt hast, bevor du weiterliest.

Fertig?

blogbilder-001

Welche Sinneskanäle hast du benutzt? Hast du vieles beschrieben, was du gesehen hast? Hast du beschrieben, was du gehört hast?

Welche Wörter hast du benutzt?

Eine Person, die sich nicht äußerste Mühe gibt, alle Sinneskanäle gleichzeitig anzusprechen, wird bestimmte Schwerpunkte legen. Vielfach sind das in unserer Kultur Schwerpunkte auf Sehen oder Hören. Die Schwerpunktkanäle sind auch die, auf denen wir am besten lernen können. Wenn du ein stark optischer Mensch bist, kannst du mit Bildern und Zeichnungen gut lernen. Wenn du über Akustik gut lernst, solltest du in Vorlesungen ziemlich viel mitnehmen können und würdest davon profitieren, wenn du dir die Lerntexte aufnimmst und immer wieder anhörst.

Große Teile unseres Bildungssystems sind auf Optik und Akustik ausgelegt. Weshalb es viele Menschen, die auf anderen Kanälen funktionieren, in unserer Gesellschaft schwerer haben.

Jemand, der Zusammenhänge gut begreifen kann, wenn er sie anfässt, lernt in den meisten Schulen leider verhältnismäßig wenig. Er ist aber weder dümmer noch klüger als jemand, der im Unterricht gut lernen kann.

Auf jeden Fall kannst du diese verschiedenen Sinneskanäle auch wunderbar einsetzen, wenn du deine Erzählersprache definierst. Der akustische Typ kann nicht umhin, zu beschreiben was er hört, weil es für ihn wichtig ist. Ihm fällt auf dem Bahnhof also vermutlich als erstes das Quietschen der bremsenden Züge auf oder das Murmeln der Gäste im Café.

Dein Erzähler erlebt seine Umwelt genau auf seinen Kanälen intensiv. 

Außerdem wird das sein bevorzugter Sinneskanal auch seine Wortwahl beeinflussen.

„Jemand, der Zusammenhänge gut begreifen kann, wenn er sie anfässt, lernt in den meisten Schulen leider verhältnismäßig wenig.“

Statt begreifen hätte ich auch unzählige andere Worte benutzen können. Ich habe aber bewusst dieses genommen, weil es der Wortwelt des haptischen Types entspringt.

„Verstehen“ hätte ich als Wort für einen logischen Analytiker nutzen können.

„Einsehen“ hätte dem optischen Typen entsprochen usw.

Einfluss auf die Sprache deines Erzählers haben auch seine Interessen.

Jemand der leidenschaftlich gerne Golf spielt, wird vielleicht Gleichnisse aus diesem Sport verwendet. Einen erfolgreichen Abschluss könnte er zum Beispiel mit dem Einlochen vergleichen. Während der Fußballspieler „ihn reingemacht“ hätte. Ich glaube, du verstehst, worauf ich hinaus will, oder?

Jemand der gerne fotografiert, wird ein besonderes Auge für interessante Motive haben und vermutlich stark visuelle Worte verwenden und auch das eine oder andere Szenario als Standbild beschreiben, weil das eben ist, wie er/sie sein Umfeld wahrnimmt.

Der Charakter deines Erzählers ist nicht nur für die reine Wortwahl wichtig, sondern auch für sein Handeln.

Wenn du einen mitfühlenden Erzähler hast, wird er unglaubwürdig, wenn sein Umfeld leidet und er nicht Anteil nimmt.

Achte also darauf, dass der Charakter konsistent ist. Der Erzähler muss nicht aktiv eingreifen um sein Mitgefühl zu zeigen, aber er sollte sich vielleicht Gedanken darüber machen, was der anderen Person passiert ist. Wenn ein enger Freund oder Familienangehöriger in Gefahr schwebt, wird der mitfühlende Erzähler vielleicht auch ein bisschen kopflos handeln, weil er beispielsweise in Panik gerät. Selten wird dieser Charakter im ersten Moment der Gefahr analytisch die Fakten sammeln.

Eine solche Inkonsistenz kann deine Geschichte komplett aus der Balance bringen.

Für die richtige Erzählersprache ist es also wichtig, diese 7 Dinge über deinen Erzähler zu wissen:

  • Wo ist er/sie aufgewachsen?
  • Welchen sozialen Stand hat seine/ihre Familie?
  • In welchem Umfeld hält er/sie sich auf?
  • Welchen Bildungsstand hat er/sie?
  • Welche Themen (Hobbys, Beruf) beschäftigen ihn/sie?
  • Welche Charaktereigenschaften hat er/sie?
  • Welche Sinneskanäle nutzt er/sie bevorzugt?

 

Setzt du mehrere Erzähler in deiner Geschichte ein, ist es sehr wichtig bei diesen 7 Themen die relevanten Unterschiede herauszuarbeiten.

Ich freue mich über deinen Kommentar.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

%d Bloggern gefällt das: