Fliegende Schweine 2 oder Wie du einen fesselnden Anfang zu einem zweiten Teil schreibst

Nach meinem Post Fliegende Schweine oder Wie du einen fesselnden Anfang schreibst wurde ich von einer lieben Leserin gefragt, wie ich denn einen zweiten Teil einer Reihe oder Serie beginnen würde.

In diesem speziellen Fall ging es um eine Fortsetzung, die Kenntnisse aus dem vorangegangenen Teil voraussetzt.

Kenntnisse voraussetzen

Generell bin ich der Meinung, dass möglichst wenig Wissen beim Schreiben eines Buches vorausgesetzt werden sollte, um den Einstieg für eine breite Masse an Lesern zu ermöglichen. Wenn du beispielsweise über den Alltag deines Protagonisten in seinem Krankenhausjob schreibst, solltest du entweder deinen Leser ganz langsam an die Thematik heranführen, sofern sie denn wichtig für den Verlauf der Handlung ist (geht es also um ein falsch verabreichtes Medikament, so solltest du nicht voraussetzen, dass dein Leser weiß, was das ist und wie es wirken wird). Ist der Krankenhausalltag für die Handlung aber nicht wichtig, solltest du Details aus dem Spezialgebiet lieber auslassen, wenn du nicht nur für Ärzte und Krankenschwestern schreiben möchtest.

Sachen wie einen Infodump gilt es immer zu vermeiden oder möglichst hübsch zu verpacken, wenn es wirklich nötig ist. Wird eine Information vorausgesetzt, ist es immer nett, das gemeinsam mit dem Protagonisten zu lernen. Er liest ein Buch oder erfährt in einem Gespräch die notwendigen Details – meistens bietet sich je nach Fachgebiet und Situation eine Gelegenheit die Informationen lebendig werden zu lassen. Denk immer daran, dass dein Leser nicht von dir als Autor belehrt werden möchte (das gilt natürlich nicht für Sachbücher!). Du schaffst einen Erzähler für deine Geschichte, sofern dieser nicht allwissend ist, hat auch er vielleicht noch nicht zu Beginn der Geschichte die notwendigen Kenntnisse.

Vorgeschichte erzählen

Einen Unterschied gibt es meiner Meinung nach, wenn es darum geht die Vorgeschichte deiner Personen zu erzählen. Persönliche Lebensereignisse, die deinen Protagonisten geprägt haben, wie die Mutter, die starb als er noch ein Kind war etc., sollten in die Geschichte eingeflochten werden. Auch hier mag ich keinen Infodump, wie schon im ersten Post der Reihe geschrieben. Vielleicht zeigst du zunächst die Auswirkungen der Prägung und gibst dem Leser später eine Erklärung, wie bei den fliegenden Schweinen. Wenn du eine neue Person kennenlernst, siehst du auch erst ihr Verhalten und bekommst wenn überhaupt erst später eine Erklärung, warum sie so ist. Ich persönlich finde das viel spannender, als erzählt zu bekommen, dass ich jetzt jemanden kennenlernen werde, der eine kaputte Kindheit hatte und allgemein mit Bindungsproblemen zu kämpfen hat, weshalb er immer noch keine Freundin hat…

Warum sollte im Buch nicht funktionieren, was im echten Leben klappt.

Geheimnisvoll ist gut!

Bei Fortsetzungen und Reihen finde ich es persönlich sehr wichtig zu wissen, dass es sich um eine Reihe handelt. Ich bin pedantisch veranlagt – Wenn ich eine Reihe lese (und sei es in völlig unabhängigen Teilen), will ich unbedingt bei Band 1 beginnen. Ich hatte mal eine Krimi-Reihe, bei der sich der deutsche Verlag erdreistet hat, die Teile in der falschen Reihenfolge zu veröffentlichen – du glaubst nicht wie maßlos ich mich darüber geärgert habe.

Die ganzen Nebenplots waren nun in der falschen Lesereihenfolge. So eine Sch***e!

Aus meiner Erfahrung würde ich dir also raten: Schreib auf dein Buch (gleich an mehreren Stellen), dass es sich um eine Reihe handelt und welchen Teil man in der Hand hat. Ich finde es immer abschreckend, wenn ich erst Wikipedia fragen muss, in welche Reihenfolge die Teile der Reihe gehören. Dann bin ich schon mindestens einmal an dem Buch vorbeigegangen, ohne es zu kaufen. Nicht jedes Buch bekommt eine zweite Chance. Ergibt sich Teil 2 erst nachdem du Teil 1 veröffentlicht hast (sowas kommt ja auch vor), solltest du auf deinen Buchrücken schreiben „die Fortsetzung von XY“.

Schreibst du nun aber die Fortsetzung zu einem Roman und es gibt Dinge, die dein Leser wissen muss, damit er ihn versteht, gibt es meiner Meinung nach genau zwei Möglichkeiten, die sich in unterschiedlichen Situationen anbieten.

Der Fall: Cliffhanger am Ende von Band 1

Hier bietet es sich an eine Zusammenfassung der Handlung des ersten Bandes vorschieben. Gemeint ist eine Art „Was bisher geschah..:“, wie du es zum Beispiel aus Doppelfolgen von Serien kennst. Der Leser, der Band 1 gerade erst zur Seite gelegt hat, kann dein „Was bisher geschah…“ überspringen und direkt weiterlesen, wo er aufgehört hat.

Für mich persönlich ist es hier wichtig, die Zusammenfassung von Band 1 so oberflächlich wie möglich zu halten, damit nicht alles aus dem ersten Band verraten wird und der Leser, der versehentlich den zweiten Band zuerst gekauft hat, trotzdem noch Lust hat, Band 1 zu lesen. Die Zusammenfassung sollte für mich nicht mehr als zwei Buchseiten ausmachen. Gerne noch deutlich kürzer.

Beispiel 1: (Fortsetzung zu fiktiver Fantasy-Geschichte

Nachdem Ariana die Dämonen in der verlustreichen Schlacht am großen Tor für’s Erste zurückgedrängt hat, kehrt sie in die Hauptstadt zurück, um König Herdes von ihren Erkenntnissen zu berichten.

Beispiel 2: (Fortsetzung zu Romeo und Julia)

Die große Liebe von Romeo und Julia zerbrach am Widerstand ihrer Familien. Der tragische Selbstmord von Romeo erschütterte Julia so sehr, dass sie selbst sich ebenfalls das Leben nehmen wollte. In letzter Sekunde konnte Paris wiederbeleben.

In Beispiel 1 erfahren wir, dass Ariana die wichtige Person aus dem ersten Teil ist. Das ist hilfreich, wenn wir Teil 2 beispielsweise mit jemand anderem beginnen. Wir wissen außerdem, dass es einen König namens Herdes gibt. Unsere Antagonisten scheinen Dämonen zu sein, die ein großes Tor angegriffen haben – wir können uns also vorstellen, dass das große Tor eine Barriere zwischen zwei Welten ist oder eine Ländergrenze darstellt (ist auch eigentlich völlig egal, was davon zutrifft). Außerdem erhalten wir die Andeutung, dass Ariana irgendwelche Informationen hat, die sie unbedingt dem König überbringen will.

Für einen Einstieg in die Geschichte sollte das total ausreichen. Wir müssen nicht wissen, welche Widerstände es gab, als Ariana das Tor verteidigte und wer alles dabei gestorben ist. (vielleicht wäre es ganz interessant zu wissen, dass ihr komplettes Volk dabei ausgerottet wurde, aber auch das ließe sich später noch in einem Nebensatz einstreuen – so hätte ich dann beim Lesen von Band 2 auch echt Lust auf Band 1)

In Beispiel 2 siehst du, wie ich Romeo und Julia zusammenfassen würde, wenn ich wollte, dass Julia überlebt hätte.

Der zweite Teil sollte von seiner Geschichte her so fesselnd sein, dass du auch ohne Detail-Kenntnis des ersten Bandes weiterlesen möchtest.

Diese kurzen Zusammenfassungen eignen sich auch für den Buchrücken, weil sie nicht zu viel über Band 1 verraten und den Leser neugierig darauf machen, wie es weitergeht. Jemand, der vor einigen Monaten Band 1 gelesen hat, hat eine Auffrischung seiner Kenntnisse bekommen

Der Fall: Komplexe Vorgeschichte beeinflusst die Entscheidungen der Protagonisten

Hier schlage ich vor, die notwendigen Informationen alle dort unterzubringen, wo sie erstmals wieder relevant werden. Beispielsweise, indem du einen kleinen Rückblick einstreust, wo der Protagonist auf einen einstigen Widersacher trifft. Damit meine ich nicht, dass du einen mächtigen Flashback einbauen sollst, sondern nur eine Reflektion auf das Vergangene. Hier ist das Ganze aber sehr abhängig von deinem Erzähler. Meint: Wie nah ist dein Erzähler an der Figur, die sich erinnert?

Wenn Person A schon im ersten Teil in Person B verliebt war und sie sich jetzt wieder treffen, ist es erstmal total egal zu wissen, dass sie schon vorher verliebt war. Ihr Verhalten wird zeigen, ob sie es noch ist. Wenn sich etwas verändert hat, kannst du auch beschreiben, dass „die einstigen Schmetterlinge in ihrem Bauch bei seinem Anblick nun wie Steine in ihrem Magen liegen“ – oder was auch immer. Wenn nun seine Gefühle, die du in Band 1 beschrieben hast, nicht mehr da sind und du nun aus ihrer Perspektive schreibst, wird sie ebenfalls Abweichungen zu seinem früheren Verhalten bemerken und vielleicht darauf schließen, dass seine Gefühle erkaltet sind.

Wenn der Leser wissen will, wie es dazu gekommen ist, wird er Band 1 lesen.

Ich muss wiederholen, dass ich es immer gut finde, wenn überhaupt kein nennenswertes Vorwissen vorausgesetzt wird. Auch bei Fortsetzungen schmeiße ich den Protagonisten am liebsten sofort in eine Schlangengrube bzw. konfrontiere den Leser mit den fliegenden Schweinen.

Prinzipiell würde ich also sagen: Schreib es wie den ersten Band. Alles was du aus Band 1 weißt, ist nur in deinem Kopf. Erwähne die wichtigen Details, dort wo du sie brauchst und sie für den Leser absolut notwendig sind. Erzähle nicht nur, was du schon weißt, weil du es weißt.

Wer ein Gegenbeispiel weiß, der möge es mir bitte entgegenschleudern!

Mit fällt einfach kein Fall ein, bei dem es sich anders verhält und wirklich keine der beiden Möglichkeiten passend ist.

Ich freue mich über deinen Kommentar.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

%d Bloggern gefällt das: